Erste Kurzgeschichten zu Stadtteilutopien Linden Fiction 2050

Linden Fiction 2050Das Kulturzentrum Faust hat alle interessierten Bürgerinnen und Bürger oder Initiativen aus dem Stadtteil Linden aufgerufen, ihre Wunschvorstellungen vom Leben in Linden im Jahre 2050 aufzuschreiben. Willkommen sind positive Utopien und Zielvorstellungen, die dem Stadtteil und der Stadtpolitik eine Richtung geben können sowie neue Ideen, Wünsche, kleine Stücke eines lebenswerten Alltags der Zukunft. Die ersten Geschichten sind jetzt hier zu lesen.

Weitere Infos zum Projekt: http://www.900jahrelinden.de/3663/linden-fiction-2050-kurzgeschichten-gesucht/


Dort, wo keine Dunkelheit herrscht

Die Jungs waren schon weg. Haruki, den sie alle Hulki nannten, musste am nächsten Morgen Hanteln stemmen. Sonny, jüngster Spross des Solarmoguls Alessandro Rossi Senior, war eine Flasche Herrenhäuser über seine schnieken Sneakers gekippt, und weil sein alter Herr eben erst sechs Hunnis dafür hatte springen lassen, war Alessandro Junior rasend nach Hause gestampft. Der schöne Paolo, eigentlich hieß er Pavel, checkte bestimmt noch in der Glocke oder Faust die Mädels ab. Und Serhat, den sie Serge riefen und dabei das ‘ä’ vor dem ‘sch’ schelmisch in die Länge zogen, hatte einen seiner polnischen Abgänge hingelegt, und sägte gewiss längst selig vor sich hin. Die Jungs machten sich einen Heidenspaß daraus, ihre Herkunft zu vertuschen. Vertuschung durch Vertauschung, das war ihr Volkssport. Selbst auf Klassenarbeiten notierten sie gelegentlich ihre falschen Namen, und feierten sich jedesmal aufs Neue, wenn Frau Clemens statt »Achim« aus Versehen »Ahmed« herausrutschte.

Ahmed und Nori saßen am Ihmeplatz 8, mit dem Rücken zu dem Betonkoloss, der klotzig zum Sternenhimmel ragte, ein mächtiger Thron über dem fahlen Fluss, über den Ahmeds und Noris stumme Blicke schwelgten. So selbstlos dieser Fluss links der Leine, schenkte einst dem Ihme-Zentrum seinen Namen, und hielt ihm in guten wie in schweren Tagen die Treue, eine achtzig Jahre anhaltende Achterbahnfahrt, oder wohl eher Wildwasserbahnfahrt. Achtzig Jahre, da feierten Brautpaare ihre Eichenhochzeit, Ahmed wunderte sich über diese Bezeichnung, erst kürzlich hatte er sie gelesen, während von unten der Bass aus dem Offlíhme waberte und die Bänke vor der Lenz Bar sanft erzittern ließ. Viel cooler waren ohnehin 31 Jahre, fand Ahmed: Lindenhochzeit. Linden Love. Das war mal eine Aussicht. Das Problem nur, dass Nori nicht eingeweiht war in seine Träumereien, nein, eigentlich sogar keinen blassen Schimmer davon hatte. Es war an der Zeit, das zu ändern, seinen Traum mit ihr zu teilen. Alles wurde hell, als der Mond aufging. Ein Firmament so hell, so voller Sterne, dass es gleißend vor sich hindämmerte. Es war eine wundervolle Nacht, eine weiße Nacht, wie sie nicht auszudenken war in Hannover, und die allenfalls erleben konnte, wer jung war. Und natürlich offline. So wie Ahmed und Nori.

Tagein, tagaus waren die Jungs hier anzutreffen, an der hippen Uferpromenade des Ihme-Zentrums, auf dem Platz vor der Lenz Bar, in der vor wenigen Stunden U3000 gespielt hatten. Am liebsten »lenzten« die Jungs mit Pilzsuppe und Kürbislimo aus der VoKü, manchmal waren’s auch Kürbissuppe und Pilsener; Ahmed und Haruki oft ausgepowert vom Training bei Dr. Lee, gleich nebenan in der Kampfkunst-Akademie. Ach, das Ihme-Zentrum, Ahmed liebte es. Liebte das Squashen mit Sonny in den alten Parkdecks, liebte es, im Ihme-Bad seine Bahnen zu ziehen, liebte selbst die altbackene Holzvertäfelung in Dr. Lees Studio. Liebte die nächtlichen Schnäppchenjagden in der Kaufhalle, wenn die dynamischen Preisschilder mal ihre seltenen Schwächen offenbarten, nie jedoch bei den Bierpreisen, die zu später Stunde so verlässlich in die Höhe schnellten, dass man die Uhr danach stellen konnte. Liebte das Nachtleben, unten im Offlíhme. Liebte das »Lenzen« und Touris beobachten, wie sie in Scharen zum UrbanArts_Museum oben an der Blumenauer pilgerten. Liebte den Keller (((o)))of Kunst mit den Brillianten Brutalisten, und all die kleinen Ateliers, die irgendwie immerzu im Umbruch waren. Liebte die urbanen Mikrofarmen und Gartenoasen, die verstreut waren in allen Winkeln des Ihme-Zentrums. Und liebte vor allem die Sonnenuntergänge im Aussichtslos.

Ihre meiste Freizeit verbrachten Ahmed und seine Jungs im Ihme-Zentrum. Ihre Stadt, ihr Viertel, ihr Block. Und bald wollte Ahmed hier auch studieren. Die Fakultät für Medien, Information und Design hatte rund um das ehemalige Stadtwerke-Hochhaus ihren Campus. Welcher Studiengang war ihm im Grunde schnuppe. Nur leider war die Warteliste für das Studentenwohnheim so lang, dass sie locker vom Aussichtslos bis runter zur ominösen U-Bahn-Station im tiefsten Keller des Ihme-Zentrums reichte. Die normalen Wohnungen im Ihme-Zentrum waren fast unbezahlbar, seit Linden-Nord in Sachen Hipness übertrumpft worden war. Einzig Sonny wäre ein Apartment dort vergönnt gewesen, aber dem war das Ihme-Zentrum zu »kulturell«, wie er zu sagen pflegte, Sonny wohnte lieber bei Vati in der Jugendstil-Villa am Lindener Berg und verweilte überhaupt lieber an nobleren Orten. Seine Lieblingsboutique war Der Moderne Mann am Lindener Markplatz, auch in den geleckten Shopping-Malls in Hannovers City gab Sonny gerne Papas Geld aus.

Seit vorhin in der Lenz Bar war Ahmed besessen von dieser Melodie. Ob es Nori auch so ging? Dieser U3000-Ohrwurm war niemals vorbei: »Immer nur weiterrennen / Immer die Nacht durchpennen / Immer nur Leute sehen / Immer im Weg rumstehen / Immer noch Lose kaufen / Immer nur rückwärts laufen / Immer im Gewitter stehen / Immer nur die Gitter sehen / Immer Riesenrad fahren / Immer gegen euch an / Immer zu lang gewartet / Immer noch mal gestartet / Immer noch nichts gewonnen / Immer nur ganz verschwommen / In eure Augen sehen / Und immer den Kopf verdrehen.«

Auch nach Stunden des Techno-Wumms im Offlíhme, der Ohrwurm verdrehte Ahmed wie verrückt den Kopf. Oder war es Nori, die ihn nicht klar denken ließ? Er schaute auf die Plakate, die an der Betonbrüstung gegenüber der Lenz Bar vom vergangenen Konzertabend kündeten: »U3000 sind zurück – Lenz Bar, Freitag 03.06.2050«, stand dort in welliger Glitzerschrift. Irgendein Scherzkeks hatte Ü-Striche über den Bandnamen gekritzelt. Auf dem Plakat war ein graubärtiger Fährmann zu sehen. Schräg unter seinem Steuerrad, was der starke Seemann scheinbar schulterzuckend zur Kenntnis nahm, tummelten sich ein weißer Hai und eine Superkrake. Ahmed glaubte, ein altes Kirmesfahrgeschäft erkennen zu können, das wohl noch aus Opas Zeiten stammen musste. Es erinnerte ihn daran, wie er früher mit Opa zum Schützenfest gegangen war. Opa erzählte gerne, dass es in seiner Kindheit noch Lose aus Papier gegeben hatte, und auf den Pflastersteinen vor den Losbuden war alles voll von diesen bunten Schnipseln gewesen. Eine Vorstellung, die Ahmed faszinierte, ihn seit eh und je nostalgisierte. Diese öden E-Lose, die automatisch auf dem Smartphone generiert wurden, und ebenso automatisch das Geld vom QuickPay-Konto einzogen. Ziemlich unromantisch. Hatte man mal einen Losgewinn, konnte der an den sterilen Schaufenstern des Los-Automaten eingelöst werden. Meist jedoch poppte auf seinem Display so ein altmodischer Smiley auf, der eigentlich immer traurig dreinschaute, darunter ernüchternd in Großbuchstaben: NIETE. »Manche Dinge ändern sich nie«, sagte Opa dann. Seit der Rummel gar nicht mehr aufhörte und zu einem ganzjährigen Event geworden war, hatte es für Ahmed ausgerummelt, zumindest im realen Leben. Ahmed und seine Jungs rammten sich ab und zu beim Cyber-Scooter oder erstellten bei 3rD Life ihren ganz eigenen Vergnügungspark, Serge war in solchen Dingen ein richtiger Crack. Ahmed aber war am liebsten offline. Und natürlich Offlíhme. Bei MyFace war er eigentlich nur wegen Nori. Nur war Nori nicht mehr bei MyFace. »Analog ist besser« stand auf einem ihrer Shirts. Nori mochte schon immer Teil einer Jugendbewegung sein.

Ahmed lief die Zeit davon. Er hatte von Paolo erfahren, und der hatte es von Stella, das war die kleine Schwester von Ida, und Ida war die beste Freundin von Nori, dass Nori im nächsten Schuljahr vielleicht mit ihren Eltern nach Schweden ziehen würde. Wegen eines Jobangebots oder so. Paolo meinte schon: »Such dir ’ne andere, wir reißen zusammen eine für dich auf«. Aber für Ahmed kam das null in Frage. Lieber wollte er auf Nori warten. Ohne dass die beiden jemals Worte gewechselt hatten, Unterrichtsgespräche klammerte er aus, spürte Ahmed eine tiefe Verbindung zu Nori, die er weder in Worte fassen, noch sich selbst, geschweige denn seinen Jungs, erklären konnte. Er fühlte sich zu ihr hingezogen wie das Meer zum Mond. Dabei war Nori nicht einmal übermäßig hübsch oder gar ein Hingucker. Ihre kupferroten Haare waren fisselig und eigentlich aschblond, am Kinn war ein ovales Grübchen, das Gesicht leicht asymmetrisch, ihre Nase war etwas zu groß und hatte einen zarten Huckel auf Höhe der Augen. Doch nicht irgendwelche Augen! Die dunkelsten, funkelndsten Mandelaugen! Mit ihren sinnlichen Lippen, perfekten Zähnen und dem ovalen Grübchen am Kinn formten sie das allerschönste Lächeln, das sich Ahmed nur vorstellen konnte. Bereits der kleinste Gedanke daran ließ Ahmeds Handflächen klamm werden.

In der Lenz Bar tropfte seit jeher der Schweiß von der Decke. Die Fensterfront dauerbeschlagen, der Putz peekig wie eh und je, dennoch zwängten sich zweihundert Menschen in den rappelvollen Laden, um das Comeback von U3000, dieser blendend gealterten Ü60-Popsternchen, nicht zu verpassen. Nori lehnte hinten an der Wand, Ahmed hatte allein Augen für sie. Und obwohl die lange ergrauten Groupies, die zwischen Ahmed und Nori herumstanden, beharrlich mit ihren Köpfen nickten, als wollten sie mit all ihrer Lebenserfahrung Ahmed Mut zusprechen, brachte er in Noris Gegenwart kein Wort über die Lippen. »Die Schlangen auf dem Boden sind alle ohne Gift / Oh, bitte frag’ mich nicht, woher ich weiß, dass das so ist.« U3000 übernahmen das Kommando. Synchroner Gesang. Wie aus Ahmeds Seele: »Du bist so wunderschön / Ich kann es mit meinen Augen sehen / Mädchen, tanz mit mir!« Stattdessen sah er sein Mädchen kurz darauf gehen. Nahm es wortlos zur Kenntnis. Ahmed wartete die letzte Zugabe ab.

Später, unerwartet, erwartete ihn eine noch viel schönere Zugabe: Er entdeckte sie im Offlíhme. Ihre kupferroten Haare waren selbst im dichtesten Disco-Nebel nicht zu übersehen. Wie eine Fee tanzte sie zwischen den Betonpfeilern. Und wenngleich der Klub aus allen Nähten platzte, bildete sich um Nori ein kleiner, nahezu magischer Kreis, als würde sie einen unsichtbaren Riesen-Hula-Hoop-Reifen um sich schwingen. Ahmed drängelte sich zu ihr vor. Der Bass wummerte so laut, dass ein Gespräch sowieso unmöglich war. Könnte er doch nur besser tanzen! Mit ihr tanzen im Beton. Er wollte rufen: »Mädchen, tanz mit mir!« Aber ihre Anmut entmutigte ihn. Behäbig wie ein Orang-Utan kam er sich vor, neben ihr würde er sich zum Affen machen. Plötzlich fasste sie seine Hand, tanzte ihn an. Ihre Hand war verschwitzt, oder war es seine? Unsicher ließ er die Hand wieder los, versuchte seine Hüfte zu bewegen. Fühlte sich unbeholfen, seine Beine schwer wie Beton. Steif beugte er sich rüber zu ihr, spürte ihre warme Haut. Sog ihre vanillige Duftnote ein. Er war ihr jetzt so nah, dass er ihr Ohr hätte küssen können. Wie aus der Kanone geschossen kam seine Frage: »Kommst du mit?« Und genauso unvermittelt hörte Nori auf zu tanzen und folgte ihm zum Treppenhaus.

Und nun saßen sie da. Schüchtern. Am Ihmeplatz 8. Und schwiegen.
»Hat dir das Konzert gefallen?« Ahmeds Gesprächseinstieg war denkbar ungelenk.
»Ja, sehr.«
Die beiden starrten auf die Ihme. Bloß keine falsche Scheu, mahnte sich Ahmed. Nächster Versuch:
»Hast du das Buch schon gelesen?« Ahmed biss sich auf die Unterlippe. Es war Freitagnacht, zwischen vier und fünf Uhr morgens, er war endlich mit Nori allein, Nori vielleicht bald fort, und ihm fiel verdammt nochmal nichts Besseres ein als über die Schule zu reden?
»Ja, das ist echt interessant. Aber wieso müssen wir jetzt auch in Politik Romane lesen?«
Ahmed hatte keine passende Antwort parat. Zum Glück redete Nori direkt weiter:
»Unser Lesepensum ist ja krasser als im Germanistik-Studium. Meinte zumindest meine Ma kürzlich.«
»Hmmm«, überlegte Ahmed, »sagte die Clemens nicht was von Orwells 100. Todestag?«
»Reicht es nicht, dass unsere Schule nach ihm benannt ist?« erwiderte Nori. »Sag mal, hast du dir schon Gedanken über das Projekt gemacht?«
Ahmed zuckte die Schultern. »Woher sollen wir wissen, was in 35 Jahren sein wird? Wir können doch nicht hellsehen.«
»Ach, Achim, dir wird schon was einfallen. Du bist doch sonst so ein helles Köpfchen. Außerdem«, korrigierte Nori ihn, »34 Jahre. 2084.«
»Ich wusste gar nicht, dass du so förmlich bist.«
Nori verstand nicht gleich, was Ahmed meinte.
»Ich mein, äh, wegen Achim«, stotterte Ahmed. »Nenn mich einfach Ahmed.«
»Ach so«, lachte Nori, und Ahmeds Herz überschlug sich fast, »selbst die Clemens nennt dich ja mittlerweile Ahmed. Also, Ahmed…« Sie streckte ihm die Hand entgegen, entzückend ihr strahlendes Lächeln, es schien, als hätten sich die beiden eben erst kennengelernt.
Wieder schoss die Kanone aus seinem Herzen: »Kommst du mit hoch?«
Wieder fragte Nori nicht nach: »Na los!«

Der Rest der Nacht war Achims Erinnerung entwichen. War unwiderruflich aus der Cloud gelöscht worden, ohne Zwischenhalt im Papierkorb. Je mehr er sich anstrengte, die Nacht zurückzuholen, desto mehr begann er zu zweifeln, ob Nori und er überhaupt geredet hatten. Ob die beiden tatsächlich geschäkert hatten, und ihre Hände sich berührt. Noris Hand ließ ihn nicht mehr los und verfolgte ihn bis in seine Träume. Nie hatte er solche Mädchenhände angefasst. Nicht zart wie die der meisten Mädchen. Eher rau. Wie Bauarbeiterhände. So empfand Nori sie. Deshalb schleppte sie in ihrem Jutebeutel auch immer andere Handcremes mit. Achim schwor sich, diese Hand nie mehr loszulassen. Sie zu beschützen.

Seit dieser Nacht verfolgte ihn dieser Traum: Achim und Nori flitzten die Wendeltreppe hoch zur Ihmepassage, Hand in Hand vorbei an den dunklen Ateliers, die Türme des Ihme-Zentrums waren vollkommen schwarz, kein Stern war am Himmel zu sehen. Nur die Laternen, die Achim an den verblichenen Globus in Mamas Arbeitszimmer erinnerten, leuchteten matt. So matt, dass er beim Laufen kaum seine Füße sehen konnte. Achim hörte Noris Schritte hinter sich, sie hallten durch die einsame Häuserschlucht, ihre Hand klammerte sich fester an seine, sie nahmen Kurve um Kurve, Kübel um Kübel, Slalom durch die verwinkelte Ladenzeile, wieder eine Treppe runter und über den gottverlassenen Ihmeplatz. Als der Rumpf des Ihme-Zentrums sie verschluckte, glitt das junge Händepaar auseinander. Achims Hände schwitzten. Trieften. Achim versuchte die Hände trocken zu wischen. Griff nach hinten. Die Hand war nicht mehr da. Achim drehte sich um. Nori war weg. Jedesmal erwachte Achim schweißgebadet.

Der Platz neben Ida blieb den ganzen Tag leer. Während Frau Clemens vollbepackt in den Klassenraum hetzte, hievte Achim sein Breakfast2Go auf Serhats Tisch. Immer wenn er es nicht schaffte, sich Zuhause was zu schmieren, Mama machte das schon seit Jahren nicht mehr für ihn, holte er sich was bei der Breakfast-Factory am Schwarzen Bären. Sobald Achim damit in der Klasse aufkreuzte, machte Serge große Augen. Serge war dauerhungrig. Haruki auch, aber der trieb zumindest Sport. Die Jungs, gemeinhin blieb dies allerdings an Achim oder Alessandro hängen, tischten deshalb meist das XXL-Delüxfrühstück auf. Irgendwer schnorrte immer. Der Karton war so groß, dass eine Sahnetorte reingepasst hätte. Achim aber war der Appetit vergangen. Er spürte, dass Nori nicht mehr auftauchen würde. Lustlos tunkte Achim ein Stäbchen Löffelbiskuit in seine Zitronenlimo. Eigentlich zelebrierte er das: das Sprudeln beim Eintauchen, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, bevor die Keksspitze ins Glas fiel, um sie dann vollgesaugt im Mund zu versenken. Das schmeckte ein bisschen wie die Zitronen-Erfrischungsstäbchen bei Oma und Opa, nur viel fresher. Er aß die Zuckerstäbchen, um überhaupt was in den Magen zu bekommen. Zur hellen Begeisterung von Hulki, Serhat und Alessandro, die sich gierig über die Blauschimmelkäsestullen, Blaubeerpancakes, den Artischockenbörek und Pflaumensmoothie hermachten. »Alter, Ahmed, was ist denn los mit dir?« schmatzte Haruki. »Du brauchst doch dein Kraftfutter, sonst gibt’s Ärger von Dr. Lee.« Nur Paolo hatte sofort gecheckt was Sache war und nickte unauffällig rüber zu Idas verwaistem Nachbarstuhl. Nori war weg.

»Habt ihr Fragen zu 1984?« eröffnete Frau Clemens den Unterricht.
Keiner meldete sich.
»Ich finde das Buch doof«, durchbrach Mirli das Schweigen.
»Kannst du auch erklären weshalb?«
»Bei denen gibt’s keine richtige Schokolade. Und die wollen den Orgasmus abschaffen.«
Die Klasse kicherte. Frau Clemens setzte ihren bösen Lehrerinnenblick auf. »Ein bisschen ernsthafter, bitte. Ja, Pavel?«
»Solange es mich gibt, Mädels«, Paolo schaute verführerisch in die Runde, »ist das völlig ausgeschlossen.«
Wieder Klassenkichern.
»Und diese Parteivögel«, schob Serge hinterher, »wollten bis 2050 dieses komische Neusprech einführen. Doppelplusungut.«
»Meine Herrschaften, wenn ihr keine ernsthaften Fragen oder Anmerkungen habt«, setzte die Clemens nach und schaute dabei Paolo und Serge streng an, »können wir ja gleich mal einen Test schreiben und anschließend mit dem Projekt anfangen.«
Serge fühlte sich angesprochen und wurde plötzlich kleinlaut: »Dieses Doppeldenk habe ich ehrlich gesagt nicht ganz verstanden.«
»Das ist auch nicht so einfach, Serhat. Kann das jemand erklären? Oder ein Beispiel geben vielleicht?«
»Ist das Aussichtslos nicht ein Doppeldenk?« warf Sonny in den Raum.
»Das musst du näher erläutern«, forderte die Clemens.
»Na, als damals das Aussichtslos oben auf dem Ihme-Zentrum aufmachte, bezog sich das auf den desolaten Zustand des Gebäudes, quasi auf den Blick nach unten. Vor der Verschickerung war das ja eine einzige Ruine. Die Aussicht war jedenfalls nicht gemeint. In fast hundert Metern Höhe ist die alles andere als aussichtslos. Das Café so zu benennen, war typische Lindener Selbstironie. Wenn da heute Touristen im Aussichtslos ihren Kaffee trinken verstehen die den doppeldeutigen Namen überhaupt nicht mehr.«
»Und das ist Doppeldenk?« Frau Clemens’ Frage galt als Appell an die ganze Klasse.
»_Doppeldenk_ wäre doch eher«, meldete sich Ida zu Wort, »wenn der Big Brother das Aussichtslos in Aussichtsreich umbenannt und das Ihme-Zentrum als Bausünde nie existiert hätte, weil alle Dokumente, die das belegen, zerstört oder manipuliert wurden.«
»Sehr gut, Ida. Die Vergangenheit besitzt laut der Partei keine objektive Existenz. Deshalb ist die Vergangenheit veränderbar. Gleichzeitig ist die Vergangenheit nie verändert worden. Das ist Doppeldenk in Kurzform.«
»Aber was ist mit der Erinnerung der Menschen?« hakte Serge nach.
Ida aktivierte ihr E-Book und zitierte: »Wie sollte man denn die offenkundigste Tatsache beweisen können, wenn außerhalb der eigenen Erinnerung keine andere Aufzeichnung mehr darüber existierte?«
Achim schreckte hoch. Hatte er wirklich Noris Hand gehalten?

In den nächsten Wochen drehte sich alles um das Projekt. Der Platz neben Ida war noch immer leer. Das einzige Lebenszeichen von Nori war eine Postkarte. So eine aus Papier, wie sie bei Onkel Wolfgang in Reih und Glied über der Küchenkommode angepinnt waren. Nur nicht so speckig und vergilbt. Nori hatte sogar eine gezähnte Briefmarke draufgeklebt: Als Motiv Pippi Langstrumpf in lässiger Gewichtheberpose, den gar nicht Kleinen Onkel in die Höhe stemmend. Vorne Hälsningar från Sverige – Grüße aus Schweden – auf einem goldgelben Kreuz, ringsherum mittelblaue Seenlandschaften, ein kaminrotes Holzhaus und ein fröhlich winkender Elch mit Zahnlücke. Auf der Rückseite in Krakelschrift: Wir treffen uns dort, wo keine Dunkelheit herrscht. Nori. Ihre Geheimniskrämerei war tagelang das Klassenthema Nummer eins. Keiner wusste ihre Botschaft zu entschlüsseln. Warum war sich Achim nur so sicher, sie würde ausdrücklich ihn damit ansprechen? Auch wenn er keinen blassen Schimmer hatte, was sie ihm bedeuten wollte. Während Achim seinen Gedanken nachhing, erläuterte Frau Clemens noch einmal das Projekt: »1984 ist ein sehr düsteres, dystopisches Buch. Für unser Projekt 2084 müsst ihr es nicht wie George Orwell machen. Wir suchen positive Utopien, Zielvorstellungen, die dem Stadtteil und der Stadtpolitik eine Richtung geben können. Neue Ideen, Wünsche, kleine Stücke eines lebenswerten Alltags der Zukunft. Sucht euch ein Thema aus oder schreibt darüber, was euch umtreibt, was euch im Stadtteil wichtig ist.«
»Ich glaube nicht, dass sich viel ändern wird«, bemerkte Achim gleichgültig.
»Findest du das nicht ein bisschen naiv?« spöttelte Sonny.
Die Retourkutsche folgte prompt. »Wieso, Orwell schreibt das doch im Prinzip auch. Moment…« Achim kramte sein E-Book hervor und scrollte auf Seite 244. »Daraufhin entstand eine Schule von Denkern, die die Geschichte als einen zyklischen Prozeß interpretierten und damit zeigen wollten, daß Ungleichheit das unabänderliche Gesetz des menschlichen Lebens sei.«
»Einen Schwarzseher wie dich hätten die doch längst _vaporisiert_«, mischte sich Hulki ein.
Es klingelte zur Pause. Alle sprangen auf.
»Ein Sekündchen noch«, rief Frau Clemens. »Denkt bei dem Projekt daran: Die Welt ist nie so gut, wie es sich die Optimisten wünschen, aber auch nicht so schlecht, wie es die Pessimisten sehen. Ich möchte, dass ihr Optimisten seid.«

Achim versuchte optimistisch zu sein. Hoffte, Nori bald wiederzusehen. Die Sommerferien klopften an die Tür. Und sonst musste er eben auf sie warten. Was sollte ihm bloß diese mysteriöse Postkarte mitteilen? Wir treffen uns dort, wo keine Dunkelheit herrscht. Nori. Gedankenverloren lief Achim durch Linden-Nord. Seine Jungs kamen zuletzt ein wenig zu kurz. »Du mutierst langsam zur Einmannminderheit_«, scherzte Paolo kürzlich. Es war die Sorte Scherz, die mindestens ein Fünkchen Wahrheit enthielt. Beim _Ravers, gegenüber vom schmucken Hans-A-Platz, war das Schaufenster voll mit den neuesten Neonpullis. Achim hätte am liebsten einen in Neonschwarz gekauft, das entsprach so ziemlich seiner Gemütslage. An die Außenwand der neuen Printer’s Paradise-Filiale am Kötnerholzweg hatte jemand »Sorry about your wall« gesprüht. Ist schon hart, eine Wand zu sein, dachte sich Achim und konnte zum ersten Mal an diesem Tag schmunzeln. An der Ecke Fössestraße teilte sich ein lavendelblauer Bucklebus in drei Richtungen. Wie reibungslos das Modellprojekt Autofreier Stadtteil 2050 ablief, erstaunte ihn immer wieder. Obwohl autofrei nicht ganz stimmte, autoreduziert traf es eher. Am Lindener Hafen stand eines der großen Pendler-Parkhäuser, von dort fuhren im Minutentakt + 24/7 die solarbetriebenen Shuttles Richtung Linden-Mitte und -Nord. Die wenigen Autos mit Kurzzeitberechtigung durften nicht schneller als Schritttempo fahren und konnten es auch nicht, denn die Straßen Lindens waren längst in Beschlag genommen worden von den unmotorisierten Verkehrsgenossen. Wie eine verlassene Fabrik, die von der Natur zurückerobert wurde und mit wilden Kräutern und Gräsern zuwucherte, tummelten sich Drahtesel, Rollbretter und Tretroller aller Art auf dem Asphalt, mittendrin einige schneidige Rollis, Rollatoren und Kinderwagen.

In der Rampenstraße, kurz vorm Küchengartenplatz, der seinem Namen wieder gerecht wurde, fiel Achims Blick auf eine digitale Litfaßsäule. Der Teleschirm bestand aus lauter Nullen und Einsen, die ständig ihre Farben wechselten, bevor sie eins wurden mit dem Hintergrund und sich dieser komplett verfinsterte: »Dort, wo keine Dunkelheit herrscht«, war auf einmal zu lesen. Tagträumte er etwa? Darunter, in kleineren Buchstaben, las er: »Eine algorithmische Lichtinstallation«. Bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, lösten sich die Buchstaben in Nullen und Einsen auf, um sich wieder zu neuen Buchstaben zusammenzusetzen: »TONIGHT, Lex Ex Machina, Ihmeplatz 4«. Achim schaute zum Campus-Hochhaus. Spähte um sich. Er war allein. Und mit seinem Latein am Ende. War das eben real? Dort, wo keine Dunkelheit herrscht. Hatte er das tatsächlich gelesen? Was hatte Nori damit zu tun? Wie passte das alles zusammen? Achim sammelte sich. Von Lex Ex Machina hatte er schon gehört. Das war ein Kollektiv schräger Kunstaktivisten, die unter ständig wechselnden Projektnamen in Erscheinung traten. Zuletzt hatten Lex Ex Machina Quelltextlesungen von Suchmaschinen und Datingplattformen als politisches Spektakel inszeniert. Wenige Sekunden später blinkte es erneut auf: »Dort, wo keine Dunkelheit herrscht – Eine algorithmische Lichtinstallation«. Er musste da hin. Sofort.

Auf dem Ihmeplatz versammelten sich bereits die ersten Besucher. Überall waren Scheinwerfer und Laser installiert und projizierten lauter hüpfende Nullen und Einsen, die zwischen Campus- und Spinnerei-Hochhaus munter in der Luft tanzten und weiter oben in der Abenddämmerung wieder verschwanden. Wie aus einem zeitverkehrten Strudel wurden 0, 1, 0, 1, 0, 1, 0, 1 vertikal in die Häuserschlucht gespült. Erst als es dunkler wurde, war zu erkennen, dass die Nullen und Einsen beständig ihre Farbe veränderten. Und es war zu erkennen, wohin sie wanderten: Auf den Türmen links und rechts vom Ihmeplatz 4 sammelten sich die Zahlen und bildeten verschiedene, ständig mutierende Länderflaggen. Die Projektion links war akkurat und rechtwinklig, den echten Fahnen täuschend ähnlich, rechts hingegen war sie unproportioniert und verwaschen. Dort wurden aus Strichen Wellen, aus Sternen Blätter, aus Kronen Kappen, aus Sonnen Sombreros, aus Halbmonden Bananen, aus Hammer und Sichel Messer und Gabel.

Das Lichtspektakel in dieser tiefblauen, sternenklaren Nacht lockte immer mehr Leute an. Aus allen Richtungen eilten die Menschenmassen herbei: von der Limmer- und Deisterstraße, vom Lindener Markt und -Berg, aus der Stadt und selbst vom Land. Je mehr Menschen sich auf den Platz drängten, desto mehr Nullen und Einsen erfüllten den Nachthimmel. Die Flagge Schwedens erschien als eine der letzten. Rechts formte sich eine goldgelbe Lanze. Und bohrte sich in Achims Herz. Wo steckte Nori bloß? War sie noch in Schweden? Oder irgendwo in der Nähe? Konnte sie ihm kein Zeichen geben?

Das Ihme-Zentrum war mittlerweile erfüllt von Farben, nur weit und breit kein Kupferrot. Achim schaute in der Menge umher, alle schauten gebannt nach oben. Hilflos lief Achim von links nach rechts und wieder zurück. Nichts. Allmählich verschmolzen die unzähligen Nullen und Einsen miteinander, wurden zu einem schwarzen Etwas, das nach und nach jede Farbnuance aus den Türmen verdrängte, und erst den Turm rechts, dann links erfinstern ließ.

Wir treffen uns dort, wo keine Dunkelheit herrscht. Das hatte Nori geschrieben. Nur wo sollte das sein? Wie konnte er sie finden? Während das Publikum zu seinen Wohnungen und den Ausgängen des Ihme-Zentrums strömte, begab sich Achim zum eben noch illuminierten Campus-Hochhaus. Intuitiv nahm er die Treppe. Wie ein hängengebliebener Schrittzähler zählte Achim Schritt für Schritt. 0, 1, 0, 1, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß. Erster Stock. 0, 1, 0, 1, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß. Zweiter Stock. 0, 1, rechts, links. 0, 1, rechts, links. Etage um Etage, 0, 1, der Trance schon nahe, rechts, links, bis nach oben. Aussichtslos. Und das war es. Buchstäblich. Eine frische Brise ließ ihn erschaudern. Zwei Minuten hasste er die Welt. Er schaute in die Tiefe. Klammerte sich ans Geländer. Der Ihmeplatz glich einem Ameisenhaufen, die dunklen Punkte bewegten sich wie ferngesteuert, nach einem System, das er nicht durchschaute. 0, 1. Sein Blick wanderte zur Ihme. Links, rechts. Von der Ohnesorg-Brücke nach Süden. Zum Stadion und Schützenplatz. Das Riesenrad drehte und drehte und drehte sich. Immerzu grell blinkend. Der Hai-Tower-Hai zwinkerte unermüdlich herüber. Die drei warmen Brüder grüßten nicht zurück. Achim überfiel eine tiefe Müdigkeit. Versank immer tiefer in dem Wirrwarr seiner Gedanken. 0, 1, rechts, links. Von hinten vernahm er eine Stimme. Wie die einer Nymphe. Sie sang eine liebliche Melodie: »Just wait until it’s over / Just wait until it’s through«. Seine Hand löste sich vom Geländer. Sie schwitzte gar nicht. Da war noch eine andere Hand. Rau und warm. Zart erfasste ihn ein sommerlicher Luftzug, verführerischer Vanilleduft wehte herbei. Alles war wie ein Traum.

Von Stefan Thoben


 

Natascha – Linden Fiction 2050 – Wie sieht Linden im Jahr 2050 aus?

Kurzgeschichte aus dem Projekt der Helene Lange Schule

Name: Natascha
Alter: 24
Ort: Lindener Marktplatz

Mein Blick trifft den seinen, der Regen stört uns nicht, alles was wichtig ist, ist das Hier und Jetzt, alles was zählt, ist der Moment; der Moment, der einen alles vergessen lässt, der einen glauben lässt, das gefunden zu haben, wonach man immer gesucht hat. Ich stehe da also, meine Haare nass an meinem Gesicht klebend, meine Kleidung schwer an meinem Leib hängend. Menschen rempeln mich an, stoßen mich weg, doch das stört mich nicht. Ich blicke in die eisblauen, von dichten, schwarzen Wimpern umhüllten Augen, blicke in die Augen meiner Vergangenheit. Er sieht mich an, verletzt und verwirrt, verfremdet, aber doch so vertraut. Für einen Augenblick bleibt die Zeit stehen, es regnet nicht, die Menschen wie versteinert, die Welt dreht sich nicht, alles steht still, alles schwarzweiß, nur die Augen meiner großen Liebe strahlen, strahlen in allen Blautönen dieser Welt, strahlen das aus, was mir im Leben immer fehlte. Plötzlich kommt er auf mich zu, seine Augen immer noch auf mich gerichtet, unachtsam geht er über die Straße und wird von einer Bahn überfahren.

Ich schließe meine Augen für eine einzige Sekunde, eine Träne läuft mir über mein Gesicht, ein Schrei entgleitet meinem Mund und plötzlich liege ich schweißnass angeschlossen an einem Gerät und sehe Menschen um mich herum, die mir nicht bekannt sind. Ich will aufstehen, doch ein Gurt um meine Arme und Beine hindern mich daran, ich will etwas sagen, aber ich kann nicht sprechen. Ich versuche vergeblich, die Aufmerksamkeit der Fremden auf mich zu richten, doch deren Blick ist auf eine Art Bildschirm oder Leinwand gerichtet. Ich erkenne ein Gesicht auf dem Bildschirm, ich erkenne grüne Augen und lange braune Haare, ich erkenne mich und wie durch einen Schlag weiß ich, wo ich bin, wer ich bin und warum ich hier bin. Ich bin im Jahre 2050, mein Name ist Natascha und ich bin hier, weil ich die einzige bin, die sich an die Zeit vor 2050 erinnern kann, weil ich eine von wenigen bin, die 2015 erlebt haben. Diese fremden Menschen verfolgen alles, was in meinem Kopf vorgeht, ob ich träume, nachdenke oder meine Gedanken schweifen lasse, sie bekommen alles mit. Die Technik heute ist so weit fortgeschritten, dass man alles von zu Hause aus macht. Soziales Leben wird nur virtuell gelebt. Schulen gibt es keine, alles was man lernen muss, wird einem zuhause von einem Roboter beigebracht; wir leben also in einer Welt, in der die Technik die Oberhand ergriffen hat, wir leben nicht mehr, wir funktionieren.

Von Rengin Agaslan

Der Text wurde im Rahmen der Teilnahme von Schülerinnen und Schülern der Helene Lange Schule am Projekt Linden Fiction 2050 geschrieben (Betreuende Lehrerin: Anna H. Frauendorf).


Delaila – Linden Fiction 2050 – Wie sieht Linden im Jahr 2050 aus?

Kurzgeschichte aus dem Projekt der Helene Lange Schule

Delaila, 24 Jahre alt
Ort: Lindner Rathaus
Jahr: 2015

Man kann sich eigentlich nicht vorstellen, wie das Leben als Afrikanerin ist, einer Dunkelhäutigen in einem Rollstuhl. Ich fahre mit dem Hundertzwanziger Richtung Aegidientorplatz und steige am Lindener Markplatz aus. Der Bus ist wie immer voll und jeder beobachtet mich, als ob ich etwas anderes wäre. Ich bin Ausländerin, schwarz, und noch dazu sitze ich im Rollstuhl. Manche denken sich bestimmt, wie man vom Leben noch mehr benachteiligt sein kann. Das interessiert mich aber nicht. Ich lebe, und nur das zählt. Beim Aussteigen helfen mir zwei junge Männer. Endlich bin ich raus aus dem Bus, ich hasse es, mich mit dem Stadtverkehr irgendwohin zu bewegen. Ich weiß nicht, wo ich lang muss, oder wo ich überhaupt hin will, also entscheide ich mich, in der Nähe der Haltestelle zu bleiben. Es regnet und ich spüre, wie meine Afrolocken langsam an meinem Gesicht kleben, doch es stört mich nicht, ich fühle mich gut und genieße es, dass die Tröpfchen langsam meine ganze Haut reinigen. Trotz meiner Abhängigkeit vom Rollstuhl bin ich frei. Ich bin ein Mensch, der viel im Leben durchgemacht hat und der sich an solchen Tagen und Momenten wie diesen in seine Gedanken vertiefen mag und genau das mache ich jetzt.
Ich denke über meine Familie in der Heimat nach und die harte Reise hierher nach Deutschland. Ich bin ein Flüchtling. Meine Behinderung ist nur dadurch geschehen. Ich wohne seit fünf Jahren in Linden und in der Zeit musste ich alles lernen, von alltäglichen Sachen bis zum Lesen, Schreiben und Zählen auf Deutsch. Ich hatte Schwierigkeiten, mit mir und meiner schweren Behinderung umzugehen, es war etwas Neues und der schlimmste Gedanke war, dass es für immer so bleiben würde. Ab dem ersten Tag im Rollstuhl hatte mein Leben keinen Sinn mehr. Ich dachte an Selbstmord, eines Tages würde ich mich aufhängen. Warum ich das nicht gemacht habe, weiß ich bis heute nicht. In einem Moment hat es in meinem Kopf „Klick” gemacht und ich fing an, anders zu denken und mich zu freuen, dass ich die Flucht überhaupt überlebt habe. Wenn ich schon so viel riskiert und mein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, musste ich daraus das Beste machen. Für mich. Es gibt immer noch Tage, an denen ich mich alleine fühle und meine Familie vermisse. Selbst mein Mann, den ich hier in Deutschland kennengelernt habe, ist gestorben. Schon wieder hatte ich Depressionen und dachte an Selbstmord. Ich hatte alles verloren. Kann man da noch glücklich im Leben sein? Nein. Man kann noch nur an Gott glauben und ein guter Mensch sein. Seit ein paar Monaten arbeite ich in einer Gruppe im Krankenhaus, die Leuten in ähnlichen Situationen wie mir hilft. Und genau das ist mein Beruf, ich helfe diesen Menschen dabei, die Hoffnung nicht zu verlieren, denn es gibt Fälle, die immer noch schlimmer als meiner sind. Ich will nützlich sein. Wenn ich schon an meinem Leben nichts ändern kann, will ich das Leben der anderen ändern.

Delaila, 59 Jahre alt
Ort: Schwarzer Bär
Jahr: 2050

Ich bin jetzt 59 Jahre alt und spaziere mit meinem Hund Flipi im Park. Ja, ich spaziere. Kein Rollstuhl mehr. Ich bin gesund und kann wie jeder anderer laufen. Die Technologie ist jetzt so weit, dass kein Mensch krank ist, es gibt auch keine Krankenhäuser mehr. Jeder hat zu Hause ein Gerät, das wie ein Solarium aussieht, aber da bräunt man sich nicht, sondern heilt seine Wunden und Krankheiten, bei denen man früher nicht mal eine Idee hatte, wie man sie besiegen kann. Ich sag es laut. Ich bin wieder glücklich, und alle um mich herum sind auch glücklich. Man nimmt dafür extra Pillen, um die gute Stimmung zu behalten. Ich nehme sie auch, ich will nie mehr traurig sein. Ich habe einen neuen Mann und vier Kinder, die ich gestern bekommen habe. Ich hab mir ausgesucht, dass ich zwei Mädchen und zwei Jungs haben will. Die Mädchens sollten blaue Augen haben und einen etwas helleren Hautfarbton als ich und die Jungs sollen 1,84 Meter groß sein und blond. Ich mag blonde Haare. Ich finde es schön, dass man seine Kinder ganz gut planen kann, dadurch hat man das perfekte Wunschkind. Es kann nicht hässlich sein und gemobbt werden. Alle sind gutaussehend, gesund und zufrieden. Die Kinder gehen zur Schule, doch da unterrichten nicht mehr Menschen, sondern Computer, alles funktioniert wie früher, nur es gibt keine Lehrer. Ich habe früher immer Busse und alle andere Verkehrsmitteln gehasst, aber heute, wenn ich irgendwo hinmöchte, muss ich das meinem Fahrzeug sagen und es bringt mich. Keine Unfälle, weil alle Autos alleine fahren, als Mensch hat man gar keine Kontrolle darüber. Es gibt auch keine Gefängnisse; falls man etwas tut, das strafbar ist, wird man direkt von der Erde eliminiert. Nur so kann man sterben und unheilbar sein. Ich muss zugeben, ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal so ein Luxusleben führen würde und vor allem, dass alle so ein Leben führen würden. Ich bin ein anderer Mensch geworden, jetzt macht mir das Leben auch Spaß, so sehr Spaß, dass ich jeden Abend Party mache und mich mit Alkohol volltrinke. Im Jahre 2050 wird man von Alkohol nicht betrunken. Das Leben hat sich um 180 Grad verändert, aber es ist besser geworden als früher, alles nur dank der Technik. Die Welt ist schöner.

Text von Nicole Niesporek

Der Text wurde im Rahmen der Teilnahme von Schülerinnen und Schülern der Helene Lange Schule am Projekt Linden Fiction 2050 geschrieben (Betreuende Lehrerin: Anna H. Frauendorf).


Thomas – Linden Fiction 2050 – Wie sieht Linden im Jahr 2050 aus?

Kurzgeschichte aus dem Projekt der Helene Lange Schule

Name:Thomas
Alter: 43
Ort: Rathaus Linden
Jahr: 2015

Ein kleiner Mann, wahrscheinlich 43 Jahre alt, mit einer Glatze; auf ihn fällt mein Blick, als ich an einem regnerischen Tag im Lindener Rathaus sitze. Bekleidet ist er mit seiner Arbeitsuniform: kurzen, hellbraunen Shorts und gleichfarbigem Hemd und einer Jacke, die das Logo der Firma ,,ups” trägt. Jedoch sollte man sich von seiner zierlichen Statur nicht trügen lassen. Sein Schritt ist fest und zügig; das Liefern der Pakete in Nullkommanichts mit einer gewissen Leichtigkeit erledigt, die zu bewundern ist, denn das schlechte Wetter, dem er auf dem Weg von dem seiner Uniform optisch angepassten dunkelbraunen Dienstwagen bis zum Rathaus und auch wahrscheinlich sonst bei jeder Lieferstelle des heutigen Tages ausgeliefert ist, stört ihn nicht. Dies merkt man ihm zumindest nicht an, denn sein Gesicht scheint eisern, streng, monoton, verändert sich nicht. Man könnte sagen, so wie sein Beruf, denn wird nicht jedermanns Mimik am meisten von dem geprägt, mit dem man sich den ganzen Tag beschäftigt? Man sieht kein Lächeln, kein Stirnrunzeln, nichts, auch nicht, als unsere Blicke sich treffen. An sich ein wirklich uninteressantes Gesicht, wenn da nicht diese strahlend blauen Augen wären, unterstrichen von seiner gebräunten Haut, die diesem Menschen eine gewisse Sympathie verleihen. Etwas Farbe bei diesem tristen Wetter und der einem dann auch selber gleichzeitig trist erscheinenden Welt. In diesem Moment wird der Nieselregen zu einem Sturzregen. All die Menschen laufen, weg von dem Regen, rein in die Wärme, um bloß nicht nass zu werden. Es hat wirklich etwas Erbärmliches, wenn man darüber nachdenkt. Wir haben so viel Angst vor etwas Wasser, davor, dass unser Haar und unsere Kleidung nass werden, aber scheuen uns nicht davor, anderen wehzutun, ob verbal oder physisch.
Doch er steht dort draußen, arbeitet, muss wieder in das Auto, hat im Moment ein sichtliches Problem, eine kleine Karre in seinen Wagen zu schaffen. Sein Griff, aber auch seine Bewegungen, haben nun etwas Gehetztes, leicht Aggressives. Er verflucht vermutlich die Firma dafür, dass sie die elenden Stufen in den Wagen eingebaut haben. Ein fleißiger Mann, bei dem man sich gut vorstellen kann, dass er nach Hause kommt, seine Kinder begrüßt und dass sich seine eiserne Miene zu einem Lächeln wandelt und all die Last, die ihm über den Tag hinweg eine Bürde war, die er sich jedoch nicht anmerken ließ, von ihm abfällt. Dies hoffe ich zumindest … Als er die Karre nun schließlich in den Wagen befördert hat, steigt er ein und fährt weg. Der Platz ist leer, so als habe das Auto nie dort gestanden. Der Regen beruhigt sich und die Sonne lässt den Lindener Marktplatz für einen kurzen Moment mit ihrem wärmenden Licht in voller Pracht erstrahlen, bis eine Wolkendecke diese wieder bedeckt. Doch die Erinnerung an den Mann mit den strahlend blauen Augen bleibt.

Name: Thomas (?)
Alter: 78 (?)
Ort: Von-Alten-Garten
Jahr: 2050

Ich kann es kaum fassen, nun bin ich 51 Jahre alt. Bei meinem alltäglichen Spaziergang fällt mir jedes Mal aufs Neue auf, dass sich die Zeiten ändern und wir mit ihnen. Anders als früher tummeln sich beim Küchengarten noch mehr Menschen, wenn sie in Linden sind, vor allem Jugendliche, jedoch auch beim Schwarzen Bären halten sich viele auf, nun auch Touristen aus aller Welt, da dort nicht mehr die elegante, jedoch auch unauffällige Statue eines schwarzen Bären, sondern eine lebensechte 3D-Projektion eines Bären steht. Des Weiteren sind die Straßen durch riesige Röhren ersetzt worden, da alle dank der neumodischen Technik mit Fahrrädern unterwegs sind, die Strecken von mehreren Kilometern in ein paar Sekunden zurücklegen können, mit wenig Anstrengung, was auch dazu führte, dass Autos aufgrund des hohen Ausstoßes von Abgasen nun nicht mehr benutzt werden. Außerdem wurde der von-Alten-Garten vergrößert. Er umfasst die Größe von drei Fußballfeldern, wovon auch ein Teil die Helene-Lange-Schule ist, die sich damit auch in vielerlei Hinsicht verbessert hat. Außerdem beherbergt er viele Orte für alle, wodurch sich viel mehr Menschen und vor allem Kinder draußen aufhalten, statt vor Bildschirmen zu sitzen. Als ich mich auf eine Bank setzen will, welche E-Energie produziert, sobald auf ihr jemand sitzt, sehe ich ihn. Diese stechend blauen Augen könnte ich nie vergessen, nie mit jemandem verwechseln. Weshalb dies so ist, kann ich selber nicht wirklich beurteilen.
Vor 35 Jahren, als ich noch junge 16 Jahre alt war und manchmal einfach nur naiv Leute beobachtet habe, nicht wie heute, wo sich die jungen Leute an Plätzen treffen, die umgeben von einer Wand sind, auf die alle Orte, die man sich wünscht, projiziert werden, sodass man sich fühlt, als wäre man wirklich dort, sah ich ihn das erste Mal, wie er Pakete in das Rathaus, wo auch ein Bürgeramt war, ausgeliefert hat. Solche Bauwerke existieren kaum noch. Man kann schon fast sagen, diese Art von Gebäuden ist ausgestorben und der Mörder ist die Technik, jedoch ist alles in dieser Hinsicht leichter geworden und erfolgt schneller. Außerdem sind sehr alte Bücher nun kostenlos und sonst erfolgt die Ausleihe in klassischen Bibliotheken. Manchmal sind es doch die einfachsten Dinge, die einen glücklichen machen.
Da sitzt er nun. Welch ein Schicksal … Man sieht ihm an, dass er ein fleißiger Arbeiter war, jedoch musste er sich, wie ich vermute, die letzten Jahre vor seiner Rente auf seiner Arbeit umstellen, da alle Lieferanten, in Bezug auf das Liefern von Drohnen ersetzt wurden. Des Weiteren kann man erkennen, dass das Leben, die vielen Veränderungen und Erneuerungen, ihn geprägt haben. Er ist um die 78, blass, scheint kleiner, jedoch hat sich auch etwas an seiner Haltung und Mimik geändert, schon die einfache Art, wie er die Vögel beobachtet. Es kostet mich ein wenig Zeit, bis ich begreife, was so anders an ihm ist. Er sieht zufrieden aus, entspannt, was mir selber ein Lächeln ins Gesicht zaubert und als sich dann unsere Blicke treffen, da schaut er nicht einfach weg, nein, er erwidert mein Lächeln und all die Last, die mir zu schaffen machte, fiel von mir ab.

Text von Isabel Feljaur

Der Text wurde im Rahmen der Teilnahme von Schülerinnen und Schülern der Helene Lange Schule am Projekt Linden Fiction 2050 geschrieben (Betreuende Lehrerin: Anna H. Frauendorf).


Michael Klaasem – Linden Fiction 2050 – Wie sieht Linden im Jahr 2050 aus?

Kurzgeschichte aus dem Projekt der Helene Lange Schule

2015:
Name: Michael Klaasen
Alter: 45

An einem Dienstagmorgen um 8:50 Uhr klingelte mein Wecker. Und das hieß: Ich musste bald zur Arbeit. Ich stand auf, streckte mich und machte mich auf den Weg ins Bad, um mich fertig zu machen. Ich duschte mich und benutze dasselbe Shampoo wie immer und das Wasser hatte etwa die gleiche Temperatur, jedoch etwas wärmer als sonst, denn der Morgen war heute kühler. Ich habe zudem in den letzten Jahren bemerkt, wie mein Körper empfindlicher gegenüber Temperaturen geworden ist. Woran das lag? – Ich werde immer älter. Fertig geduscht und angezogen, frisch rasiert und munter machte ich mich auf den Weg zur Küche. Der Kaffee hatte schon förmlich auf mich gewartet, dem Geruch konnte ich noch nie widerstehen, auch nicht vor 25 Jahren. Das Frühstück war selbstverständlich köstlich wie immer und zubereitet von meiner wunderschönen Frau Elisabeth. Sie arbeitet in einer Bibliothek, ist fasziniert, wie viel Fantasie und Leidenschaft eine Person dem Schreiben widmen kann und außerdem liebt sie den Geruch von Büchern und schwärmt immer, wie schön ihr Beruf sei. Wie glücklich ich bin, so eine leidenschaftliche Frau zu lieben, die mich auch liebt. Es war zwanzig vor Zehn und ich musste langsam los. Das Geschirr gewaschen und den Rest erledigt zog ich schon meine Jacke an. Ich nahm meine schwarze Aktentasche und machte mich auf den Weg. Ich arbeite im Bürgeramt in Linden. In dem Stadtteil wohne ich auch, es sind ca. 15 Minuten Fußweg. Man könnte sagen, ich bin ein Naturfreund, denn ich ging diesen Weg, egal bei welchem Wetter zu Fuß, dieser Geruch der frischen Luft und dieser Stadtteil haben mich nie enttäuscht. Das Wort Patriotismus kann nicht annähernd beschreiben, wie stolz ich bin, in so einer schönen Gegend zu leben, so alt, zugleich aber modern. Ich könnte diesen Ort nie verlassen, es ist wie eine schlechte Angewohnheit, die man einfach nicht los wird und genauso schlecht kann ich diesen Ort hier verlassen. Fünf vor zehn setzte ich meinen Fuß ins Bürgeramt und pünktlich um 10 Uhr saß ich auf meinem Stuhl an meinem Schreibtisch. Wie sehr ich doch mein Leben liebe.

2050:
Name: Michael Klaasen
Alter: 80

Es ist ein Dienstagmorgen, zehn vor neun, und ich stehe auf. Es ist Zeit, mich fertig zu machen, denn die Arbeit ruft. Heute, wie auch vor 35 Jahren, arbeite ich noch sehr gerne im Bürgeramt. Ich habe viele verschiedene Kulturen und Menschen kennengelernt, deren Geschichten mich immer und immer wieder aufs Neue beeindrucken, sofern sie eine haben. Aber ich muss sagen, dass sich vieles in diesen Jahren verändert hat und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Fangen wir mit meiner Frau Elisabeth an, die mittlerweile verstorben ist und einen Teil meines Herzens mit sich in den Tod gerissen hat. Es war eine schreckliche Zeit für mich, die mich hin und wieder aufs Neue wieder einholt. Und als wäre das nicht schlimm genug gewesen, verändert sich Linden immer mehr und mehr so, dass ich diesen Ort fast gar nicht wiedererkenne. Überall sind diese Menschen auf Segways und PhunkeeDucks. Kaum einer fährt noch Fahrrad oder geht zu Fuß. Und da sind noch die elektronischen Autos, die von selbst fahren. Die Häuser sind nicht mehr einzigartig. Alle sehen gleich aus und das Schlimme ist, dass sie nicht einmal mehr schön sind. Ich hab ja noch gar nichts über mich erwähnt. Ich bin mittlerweile 80 und arbeite noch immer im Bürgeramt oder soll ich sagen arbeitete. Gestern empfing ich einen Brief, in dem stand: „Sehr geehrter Michael Klaasen, wir danken Ihnen für Ihre jahrelange Mitarbeit.“ und so weiter mit dem Danken und am Ende: „Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass das Bürgeramt in ein Einkaufszentrum umgebaut wird und wir Ihnen somit kündigen müssen, räumen Sie bitte so früh wie möglich Ihr Büro leer. “ Also ging ich heute zum letzten Mal zur Arbeit um mein Büro leerzuräumen.
Ich kann es hier nicht mehr aushalten, alles hat sich verändert. Nichts ist, wie es mal war. Ich stehe in meinem Büro und frage mich, was mich eigentlich noch hier hält. Ich kann es einfach nicht, so sehr ich diesen Ort hier mittlerweile hasse, ich kann es nicht. Ich kann Linden nicht verlassen. Ich hoffe einfach nur, dass ich dieses Linden irgendwann akzeptieren kann. Wie gerne ich jetzt sagen würde, dass ich mein Leben liebe, aber das wäre die größte Lüge. Ich sehe das Licht am Ende des Tunnels einfach nicht mehr.

Text von Jelwa Zahir

Der Text wurde im Rahmen der Teilnahme von Schülerinnen und Schülern der Helene Lange Schule am Projekt Linden Fiction 2050 geschrieben (Betreuende Lehrerin: Anna H. Frauendorf).


Jakob – Linden Fiction 2050 – Wie sieht Linden im Jahr 2050 aus?

Kurzgeschichte aus dem Projekt der Helene Lange Schule

2015, Jakob, 36 Jahre

Heute bin ich spät dran. Ich konnte noch nicht einmal meinen Latte Macchiato zuhause trinken und sitze nun hier in diesem Café. Das Café, in dem ich Lina das erste Mal getroffen habe.
Sie kam mit ihren schnellen, präzisen Schritten und meinem Latte auf mich zu. Als sie fast bei mir ankam, schaute sie von ihrem konzentrierten, auf den Kaffee gerichteten Blick auf. Unsere Blicke trafen sich und sie lächelte mich an. Doch dann stolperte sie über ihre eigenen Füße und verschüttete das Getränk auf meinem Ordner. Von dort lief die heiße Brühe auf meine Hose und die wunderschöne Frau entschuldigte sich ununterbrochen mit einem leicht panischen Unterton bei mir. Ihre Augen wanderten von meinem Gesicht immer wieder zu meinem Ordner, meiner Hose und wieder zurück. Sie holte ein Tuch aus ihrer schwarzen Schürze und begann, das Verschüttete aufzuwischen, während ich nicht aufhören konnte, wegen ihrer Tollpatschigkeit zu grinsen und in ihre tiefbraunen Augen zu blicken. Dieser Moment endete, als ich registrierte, dass mein Ordner mit meinen Zeichnungen nass geworden war und ich diesen aufklappte, um die Sauerei zu sehen. Daraufhin hielt die Kellnerin inne, um sich meine Zeichnungen anzusehen.
So begann unser erstes Gespräch. Und es folgten weitere. Wir haben soviel miteinander erlebt, Lina und ich.
Jedes Mal, wenn ich hier sitze, erwarte ich, dass sie herauskommt und mir meinen Kaffee bringt. Aber dann erinnere ich mich schmerzlich daran, dass sie nicht mehr hier arbeiten kann.
Nun kommt auch schon mein Latte Macchiato. Diesmal wird er von einem Mann gebracht. Endlich erhalte ich meine erste Koffeinzufuhr des Tages. Ich bin jetzt schon mit den Nerven am Ende und muss mir gleich noch die Klagen meines Chefs anhören.
Heute ist das passiert, wovor ich mich immer gefürchtet habe. Sophie, Emily und Leon, unsere drei Süßen, wollten wissen, wann Mama wiederkommt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie gefragt haben, aber jedes Mal konnte ich ihnen sagen, dass sie bald wieder kommt und sie sich keine Sorgen machen müssten. Leon, der Älteste mit gerade einmal zehn Jahren, macht uns am meisten zu schaffen. Er spielt den großen, starken Bruder, aber wenn es um seine Mama geht, wird er ganz klein und verletzlich. Von Tag zu Tag wurde er immer unglücklicher und nervöser. Jedes Mal, wenn wir von Lina sprachen, kauerte er sich hinter den Sessel oder unter dem Tisch zusammen und sprach von dort ganz leise.
Dieses Mal war es aber anders. Er stand hinter seinen Schwestern, hat immer wieder unter den Tisch geblickt und drückte sich an Sophie, die Jüngste mit sechs Jahren. Emily fragte mich, wann Mama wiederkommen würde und ich antwortete mal wieder mit „bald“ und, dass sie sich jetzt fertig machen sollten, damit wir los könnten.

Aber Leon drückte Sophie weiter nach vorne und blickte mir in die Augen. Es sind genau die gleichen wie die seiner Mutter.
Er fragte mich, wann denn „bald“ sei und wie es ihr ginge. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Ich weiß genau, dass sie Lina immer nur lachend gesehen haben. Ich habe die Kinder immer nur an guten Tagen zu ihr mitgenommen.
Ich kann sie nicht weiterhin anlügen. Das geht nun schon seit drei Wochen so. Deshalb hatte ich mir vorgenommen, ihnen jetzt die Wahrheit zu erzählen und merkte dabei, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Ich sagte ihnen, dass es ihr schlecht ginge und die Ärzte nicht wüssten, ob sie gesund würde. Leon meinte sofort: „Ich werde Arzt und mache Mama wieder gesund!“.
Ich sollte fortfahren. Also erzählte ich ihnen, dass wir Mama bald besuchen gehen würden. Plötzlich fragte Emily, ob Mama in den Himmel kommen würde, wie ihr Hamster Lennart. Ich blickte auf den Boden und spürte, wie eine Träne den Weg nach draußen erlangt hatte. Sie rollte meine Wange hinab und landete vor meinen Füßen. Ich sah meine Kinder an. Mir war klar, dass Lina bald sterben würde. Aber ich wollte es nicht wahr haben. Es würde mich zerbrechen. Sophie fragte, warum ich weine, es sei doch schön, wenn Mama in den Himmel käme, da es dort ganz viele Süßigkeiten gäbe. Und Einhörner. Dann könnte sie uns von dort aus zusehen und auf uns warten, bis wir auch in den Himmel kämen, meinte sie.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich ihnen die gesamte Wahrheit erzählen musste. Also auch, dass es ungewiss sei, ob Lina überleben würde.
Jetzt habe ich meinen Latte ausgetrunken und mache mich auf den Weg zu meiner Arbeitsstelle. Danach werde ich ins Krankenhaus fahren, um Lina zu besuchen.
Zwei Wochen später gibt es immer noch keine Verbesserung ihres Zustands. Es geht ihr immer schlechter und schlechter.
Dann bekomme ich den Anruf, der mein gesamtes Leben verändern würde. Ich sollte sofort kommen. Ich hole meine Kinder und fahre mit ihnen ins Krankenhaus. Zusammen laufen wir in Linas Zimmer. Dort sitzen wir nun. Alle beieinander. Ich halte ihre Hand, während die Kinder vor mir sitzen. Lina ist ganz kalt und blass. Ihre Stimme ist nur noch ein Flüstern. Nur ihre Augen strahlen wie früher.
So ging sie aus meinem Leben und dem ihrer Kinder. Nur noch die Erinnerung bleibt uns. Es waren schmerzvolle Jahre, in denen ich nichts getan habe. Mir wurde gekündigt, weil mir die Begeisterung und Freude fehlte. Nur durch das Arbeitslosengeld konnten meine Kinder einen vernünftigen Abschluss erreichen. Jeden Tag wollten sie, dass ich raus gehe und jemand Neues kennenlerne, der mich glücklich macht. Aber ich will nicht. Ich kann niemanden so sehr lieben wie ich Lina geliebt habe. Nie wieder.

2050, Jakob, 71 Jahre

Nun haben wir das Jahr 2050 und ich bin fast 70 Jahre alt. Heute werde ich das erste Mal raus gehen und versuchen zu leben. Ich kann Sophie nicht das ganze Leben kaputt machen. Sie ist jetzt schon Ende 30 und hat bereits ihre eigenen Kinder. Und trotzdem kommt sie fast jeden Tag zu mir, um nach mir zu sehen.
Draußen ist einfach alles anders. Die Menschen sind nicht mehr höflich zueinander. Jeder muss selbst sehen, wie er klar kommt. Eine Frau will mit ihrem Kinderwagen die Stufen zu einem Geschäft erklimmen, aber sie schafft es nicht sofort, und keiner hilft ihr. Ich gehe und helfe ihr. Sie schaut mich verwundert an und nickt nur.
Ich gehe die Straße weiter entlang. Mir kommt ein Bus entgegen. Er ist länger und geräumiger als früher. Er besitzt auch eine eigene Spur, wodurch er viel besser vorankommt. Auch die Bahn ist anders. Sie sieht moderner aus und fährt ohne Fahrer. Es sieht so aus, als würde sie über den Boden gleiten, ohne auch nur einmal zu stocken.
Auch der Lärm ist verschwunden, weshalb mich eine merkwürdige Stille umfasst.
Die Busse und Bahnen machen kaum noch Geräusche. Auch die Abgase der Verkehrsmittel sind verschwunden.
Ich bemerke, dass ich vor dem Café stehengeblieben bin, in dem Lina gearbeitet hat. Dort sind keine Kellner mehr zu sehen. Das Essen scheint aus den Tischen zu kommen. Ich beobachte einen Mann, wie er auf die Oberfläche tippt und sich anscheinend für ein Gericht entscheidet. Danach öffnet sich ein Loch, in das er das Geld hineinsteckt. Das Loch schließt sich und der Mittelteil des Tisches öffnet sich nach einiger Zeit und plötzlich stehen dort ein Stück Kuchen und ein Kaffee.
Mir fehlt die alte Zeit mit den Kellnern.
Ich drehe mich um und gehe weiter. Fast jede Person, die mir entgegenkommt, redet mit sich selbst. Dann wird mir klar, dass sie alle am Telefonieren sind. Auch ihre Gangart ist anders als die der früheren Generation. Jetzt sind sie nicht mehr am Gehen sondern laufen alle beinahe. Niemand nimmt sich die Zeit, um auf seine Umgebung zu achten, sondern um viel Zeit zum Arbeiten zu haben.
Sie haben verlernt, wie es ist, das Leben zu genießen und stattdessen wurden sie dazu getrimmt, gute Arbeit zu finden und sich anzustrengen, um etwas aus ihrem Leben zu machen. Nämlich einen vollen Terminkalender.
Mir kommt ein älteres Ehepaar entgegen. Sie sind ca. 80 Jahre alt. Wir fangen ein Gespräch an, da sie die einzigen sind, die anscheinend genügend Zeit besitzen, um in Ruhe eine längere Unterhaltung zu führen.
Sie sind derselben Ansicht wie ich.
Die Neuzeit hat verlernt, was Leben heißt.

Text von Jasmin Dreyer

Der Text wurde im Rahmen der Teilnahme von Schülerinnen und Schülern der Helene Lange Schule am Projekt Linden Fiction 2050 geschrieben (Betreuende Lehrerin: Anna H. Frauendorf).


GEDANKEN EINES ALTEN MANNES

Ich bin ein alter Mann, wie es so viele gibt hier in Linden – und wie das so ist bei betagten Menschen: Ich habe nur noch wenige Pläne und allzu weit in die Zukunft reichen die auch nicht mehr. Dafür ist mein Kopf voll von Erinnerungen an längst vergangene Zeiten – Zeiten in Linden, wo ich den größten Teil meines Lebens verbracht habe. Nun schreiben wir schon das Jahr 2050 und ich stehe in der neuen Siedlung „Ihmeufer“ vor einer Gedenktafel, der man entnehmen kann, dass hier einmal das „Ihmezentrum“ gestanden hat.

Jaja – das Ihmezentrum… Ein 1975 zwischen Küchengarten und Schwarzer Bär entstandener Beton-Gigant im unromantischen Stil der damaligen Zeit, mit Miet- und Eigentumswohnungen, großen und kleinen Läden, Büros, Arztpraxen, Gaststätten. Gewissermaßen ein Stadtteil in einem Stück, fehlte eigentlich nur noch das Bürgerbüro, die Gotteshäuser, eine Postfiliale und eine Polizeidienststelle. Die urbanen Erwartungen waren groß, fast so groß wie der Wohn-Koloss selbst. Dass sich die Erwartungen nicht erfüllten und nach wenigen Jahren in dem verwinkelten, ewig zugigen und überwiegend nackten Beton zeigenden Ungetüm schließlich ein Geschäft nach dem anderen dicht machte, ließ sich offenbar nicht verhindern. Und dass sich das Ihmezentrum wegen abgebrochener Modernisierungsmaßnahmen nach und nach in eine bröckelnde, angefressene Bauruine verwandelte, daran erinnern sich die älteren Mitbürger noch gut.

Dieser bedauernswerte Zustand zog sich über viele Jahre hin, in denen mehrere Investoren versuchten, aus dem Ihmezentrum mit überschaubarem Aufwand etwas Gewinnbringendes zu zaubern. Investoren sind ja schließlich keine selbstlosen Wohltäter und wollen nach einer gewissen Zeit einmal mehr Geld sehen, als sie investiert haben. Diese Erwartung erfüllte sich hier allerdings nicht. So gammelte der geplatzte Zukunftstraum bis etwa zum Jahr 2020 vor sich hin, ohne dass wesentlich mehr geschah, als die „Lebenserhaltungssysteme“ für die restlichen Bewohner und die in vereinzelten Büros noch arbeitenden Menschen aufrecht zu erhalten.

Der letzte Investor hat dann wohl befürchtet, dass der Zeitpunkt, an dem sein für einen Bruchteil des geschätzten Immobilienwertes erworbenes und irgendwann und irgendwie restauriertes Ihmezentrum beginnen würde, einen nennenswerten Gewinn abzuwerfen, vermutlich weit hinter dem Tag seines eigenen Ablebens liegen würde. Was also tun? Abriss? Sanierung? Weiter so? Oder wie wäre es, wenn man die seit vielen Jahren leerstehenden Läden und Geschäftsräume jungen Existenzgründern und Künstlern mietfrei zur Verfügung stellen würde und die Interessenten nur für Strom, Gas und Wasser aufkommen müssten? Schließlich hat der gute Mann ja auch nicht zu viel bezahlt… Vielleicht wäre nur der kleine Haken an der Sache, dass dies lediglich für die Zeitspanne gälte, bis am Ihmezentrum ernsthafte Veränderungen vorgenommen würden. So etwas Ähnliches gab es ja schon z.B. in London, wo im Stadtteil Camden auf einem großen ehemaligen Industriegrundstück in einer „Szene“-Gegend eine bunte Mischung überwiegend junger Menschen erfolgreich für Kunst und Kommerz sorgten. Es wäre immerhin eine Möglichkeit, dieser halbtoten Bauruine wieder etwas Leben einzuhauchen. Einen Versuch wäre es wert…

Im Jahr 2022 nahm die Idee Gestalt an, dass im Ihmezentrum eine zweite „Faust“ zusammen mit mehreren Existenzgründern neu eingerichtet werden könnte. Ein soziales Experiment mit einiger Aussicht auf einen erfolgreichen Verlauf. So entstand in den Jahren 2022 bis 2024 eine Art „Super-Faust“ und das Ihmezentrum entwickelte sich zügig zur absoluten Attraktion im „Szene“-Viertel, das nun aus Linden-Nord und Linden-Mitte bestand. Wie das so ist: Nach den ersten euphorischen Jahren ließ die Begeisterung bei einem Teil der Bevölkerung allmählich nach. Immer wieder ins Spiel gebrachte Mietforderungen, leider auch Probleme im Zusammenhang mit der Entstehung eines neuen „sozialen Brennpunktes“, Lärmprobleme, mangelhaft organisierte Selbstverwaltung und, und, und… das waren die immer wiederkehrenden Reizthemen im Rathaus.

Ab 2035 gab es erste Pläne, das Ihmezentrum nun doch abzureißen, die zunehmend konkreter wurden. Natürlich regte sich erbitterter Widerstand gegen einen Abriss, zumal zahlreiche Existenzen stark gefährdet waren. Zahlreiche Demos pro und kontra begleiteten das Geschehen. Im Jahr 2040 war es dann soweit: Das Ihmezentrum wurde mit außergewöhnlich starker Polizeipräsenz kompromisslos geräumt und die Männer mit den Presslufthämmern begannen sofort im Anschluss daran, zunächst die Räumlichkeiten unbenutzbar zu machen, bevor die Planierraupen anrückten und dem Koloss den Rest gaben.

Die Betonbrocken wurden an Ort und Stelle zerkleinert und der so entstandene Hügel wurde anschließend mit kleinen Häusern bebaut, die sich in der Architektur nahtlos an das bereits seit einigen Jahrzehnten bestehende, direkt nebenan liegende Gilde-Carré anpassten. So entstand praktisch eine neue Siedlung, die den Namen „Ihmeufer“ bekam und nun auch schon wieder fünf Jahre existiert. Auch hier sind – außer den Wohnungen – Büros, Arztpraxen, soziale Einrichtungen und Geschäfte wie im ehemaligen Ihmezentrum zu finden, aber in weitaus bescheidenerem Rahmen. Schließlich ist die neue Siedlung außer auf der Ihmeseite mit Geschäften aller Art und Gastronomie gut versorgt. Eine neue Heimat ist entstanden für viele ehemalige Bewohner des Ihmezentrums und für viele Neu-Lindener aus allen Himmelsrichtungen, die zu der Erkenntnis gelangt sind, dass es keinen schöneren Platz zum Leben gibt, als eben diesen hier. Es gibt sogar Bäume und Büsche! Nicht nur ein paar traurige Gewächse in Betonkübeln, wie das früher der Fall war.

Einer der größten Fehlschläge in der hannoverschen Stadtplanung ist Geschichte. Eine quälend lange Geschichte, in der viele Millionen D-Mark und Euro versenkt wurden. Glücklicherweise hat sich diese Geschichte mit dem kürzlich eingeführten „Globo“ nicht weiter fortgesetzt und zum Schluss ist doch noch etwas Brauchbares entstanden. Man kann darüber diskutieren, was gewesen wäre, wenn… oder was auch immer – es ist so gekommen, wie es gekommen ist. Es gab schöne Zeiten und weniger schöne und im Jahr 2100 weiß sowieso kein Mensch mehr, was vor 50 oder gar 100 Jahren hier los gewesen ist. Ich schaue nochmal auf die Gedenktafel. „Hier befand sich das Ihmezentrum, Baubeginn 1975, als kühnstes Bauprojekt Hannovers, Abriss 2040 als … (ist leider nicht mehr lesbar, da diese Stelle beschädigt wurde). Ich hätte vielleicht geschrieben: „Begonnen als hoffnungsvoller Zukunftstraum, der sich erst nach 65 Jahren erfüllt hat“.

Text von Hans-Peter Dabrowski


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