In Lindens Frühzeit war es ein armseliger Dorftrottel, der besessen die Vereinigung des Dorfes mit Hannover forderte. 1865 hatten die Dorftrottel in der Lindener High-Society eine relative Mehrheit. Sie forderten dasselbe. Nun war Hannover nie das Pflaster, auf dem große Geister zu Dutzenden flanierten, aber dieses absurde Ansinnen wiesen die Hauptstädter dennoch kategorisch zurück. Offiziell wurde gesagt: Linden hat keine Kanalisation, keine ausgebauten Straßen und eine residenzstadtunfähige Bevölkerung. Inoffiziell war klar: das ganze Gerede hatte mit der Luftverschmutzung zu tun, die kroch den Leuten längst die Gehirnwindungen empor. Und die war ein Produkt der massiv angewachsenen Lindener Industrie. Neben Egestorffs Unternehmungen ging es dabei wesentlich um die Mechanische Weberei (1828), die Tapetenfabrik Schütz & Brackebusch und die Söhlmannsche Lederfabrik (1830), die Teppichfabrik Roskamp & Dehmann (1840), die Baumwoll-Spinnerei und Weberei und die Ziegeleien von Stephanus (1853), die Brauerei Brande & Meyer (1854), die Knoevenagelsche Maschinenfabrik (1856), das Nordmannsche Eisenwerk (1857), die Asphaltfabrik, Hurtzig & Feldmanns Mineralwasserfabrik, die Bettfedernfabrik Werner & Ehlers und die Wagenfabrik Jacobi (alle 1860).
Bedeutendstes Unternehmen neben der Mechanischen Weberei war die von Strousberg nach Egestorffs Tod (1868) übernommene Maschinenfabrik. Der neue Besitzer machte daraus die international bedeutsame Eisenbahnfabrik, die ab 1871 als Aktiengesellschaft unter dem Namen Hanomag berühmt wurde.
Der alte Stephanus sah es mit Wohlgefallen, zumal sein eigenes Vermögen sich mächtig anstapelte. Er war Lindener Gemeindevorsteher und trachtete ab 1883 danach, den arroganten Hannoveranern ob ihrer Verschmähung einer Ehe mit Linden eins auszuwischen.
„Ich hab´s“, schrie er eines Tages aus Leibeskräften durch eine Straße, die schon bald Stephanusstraße heißen sollte. „Linden wird Stadt! Wir wollen nicht länger als größtes Dorf Preußens in den Heimatkundebüchern stehen.“ Flugs ließ er die Einwohner zählen, die sich im Jahre 1850 noch auf 5.000 addiert hatten. Jetzt – 1883 – waren es doch sage und schreibe stattliche 24.000. „Wir haben das Recht, eine Stadt zu sein“, schlussfolgerte der Fabrikant. Die Obrigkeit war anderer Meinung und attestierte dem Dorf Linden „Mangel an einer genügend intelligenten Mitwirkung bei der Verwaltung einer selbständigen Stadt geeigneten Bevölkerung“.
Lindener galten den Stadt-Hannoveranern ohnehin als minderwertig, kamen sie doch „von buten rin“, was auf Hochdeutsch „von draußen rein“ heißen sollte. Von buten – schon war der Titel Butjer geboren. Sie erinnern sich, das hatte schon um 1300 mit der Stadtmauer der Hannoveraner begonnen. Bemerkt wurde es in Linden aber erst jetzt. Butjer – ein Schmähwort? Nicht für die Lindener. Die nannten sich nun stolz Butjer und betrieben unbeirrt den Erwerb ihrer Stadtrechte. Das gelang am 1. April 1885 und Bürgermeister wurde Dr. Georg Lichtenberg.
Aus dem Buch „Linden – Eine wahnsinnige Geschichte“ des kürzlich verstorbenen Autors Hans-Jörg Hennecke
Das Buch, ein Klassiker, ist leider auch in der zweiten Auflage vergriffen.